Zeitgemäßes Bauen in Haldenwang-Börwang? Ein Trauerspiel in mehreren Aufführungen.

Manfred Gabler, Mitglied des Gemeinderats Haldenwang, informiert über die Ausweisung neuer Bauplätze in Haldenwang-Börwang.

30.03.22 –

Wohnraum im Allgäu ist knapp und teuer. Die Nachfrage nach Bauplätzen ist entsprechend groß. So auch in der Gemeinde Haldenwang. Seit Nov. 2019 entwickelt die Gemeinde im Ortsteil Börwang das neue Baugebiet „Zum Mühlenbauer“ am südöstlichen Rand des Ortsteils. Der Beschluss im Gemeinderat 2019 war einstimmig, auch mit Zustimmung der drei grünen Gemeinderäte.

Seit Anfang 2020 allerdings ist es mit der Einstimmigkeit vorbei. Zuerst gründete sich eine Bürgerinitiative hauptsächlich getragen von betroffenen Bürgern, die an das geplante Baugebiet angrenzen. Ein Grund dürfte wohl vor allem die Betroffenheit sein, das aus der bisherigen Grünen Wiese vor den bestehenden Häusern ein Baugebiet mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Wohnqualität des Altbestandes entstehen soll.

Eine größere Rolle spielte auch die Jahrzehnte lange Nutzung eines Teils des geplanten Baugebietes als Rodelhang für junge Familien mit Kindern, der sogenannte Mühlehoppsassa. Im Entwurf des neuen Baugebietes wurde der Rodelhang nach Süden an den Rand des geplanten Baugebiets verlegt. Kritiker nennen dies einen Alibirodelhang mit dem Ziel, der BI den Wind aus den Segeln zu nehmen, die das Thema Rodelhang ziemlich emotional in die Öffentlichkeit via mehrere Artikel der Allgäuer Zeitung spielte.

Mittlerweile musste das Baugebiet um etwa ein Drittel vorläufig verkleinert werden, weil für den teils vernässten östlichen Teil des geplanten Baugebiets bisher kein Hochwasserschutzkonzept entwickelt wurde, was im Rahmen der Beteiligung von Behörden und Verbänden auffiel.

 

Die Grünen Gemeinderäte haben trotz grundsätzlicher Zustimmung zum geplanten Baugebiet mittlerweile mehrmals gegen die vorliegende Planung gestimmt. Auch andere kritische Gemeinderäte von den Freien Wählern unterstützen teilweise die Kritikpunkte der Grünen, die Mehrheit im Gemeinderat und die Bürgermeister ignorierten bisher die Anliegen dieser Minderheit im GR. Die Presse berichtete mehrmals über die kontroversen Debatten.

Worum geht es da inhaltlich?

Zum Einen geht es um ein Energiekonzept für das Baugebiet. Dazu gab es von der kritischen Minderheit einen Vorschlag, mit einer Tochterfirma des AÜW ein Energiekonzept für das Baugebiet zu entwickeln. Ein Vertreter der Firma hielt dazu einen Vortrag im Gemeinderat, letztlich wurde das Anliegen aber von der Mehrheit im GR zu nächtlicher Stunde auf einer der folgenden Sitzungen unter dem Tagesordnungspunkt Verschiedenes ohne Debatte abgelehnt. Auch die Möglichkeit einer Solarpflicht für die Bauwilligen wurde bisher von der Mehrheit im GR abgelehnt.

Topographisch ist das Baugebiet durchaus sehr uneinheitlich. Teils sehr gut bebaubar, teils ziemlich steil, teils vernässt mit Risiken für die Bauwilligen. Dazu gab es einen Vorschlag der kritischen Minderheit im GR, diesen schwer bebaubaren östlichen Teil des Baugebiets nicht zu bebauen und stattdessen ökologisch aufzuwerten. Zusätzlich stellt diese natürliche Mulde auch bei Starkregen eine natürliche Entwässerung des Grundstücks seit jeher daher, also auch ein funktionierender Hochwasserschutz.

Als Ersatz für diese Bauplätze könnten am südwestlichen Rand des Baugebietes zusätzliche Bauplätze entstehen, wenn dort der vorgesehene Rodelhang nicht verwirklicht würde. Alternativ gibt es gute Rodelmöglichkeiten in ca. 100-300 m Entfernung vom geplanten Baugebiet, die auch vom beauftragten Planungsbüro Müller,Kempten dargestellt wurden.

Allerdings ignorierte die Mehrheit im GR diese Möglichkeit.

Ein weiteres Thema sind die Einfamilienhäuser, die in einer Umfrage der Gemeinde unter den Bauwilligen zu über 90 % gewünscht sind. Alternativ könnten auch einige Mehrfamilienhäuser im Baugebiet entstehen. Letztlich hat sich der Gemeinderat mehrheitlich für ein Mehrfamilienhaus und ca. 30 Einfamilienhäuser entschieden, obwohl dies dazu führt, das viele Bauwillige gar keine Wohnungen bekommen werden. Es stehen den ca. 100 Bauwilligen aus der Gemeinde, die sich beworben haben ja nur etwa 30 Bauplätze für Einfamilienhäuser gegenüber.

Ein weiterer spannender Aspekt ist eine Einkommensgrenze, die in verschiedenen Gerichtsurteilen festgelegt wurde. Familien mit einem Einkommen über ca. 110.000.-Euro müssen aus der Vergabe der von der Gemeinde subventionierten Bauplätze ausgeschlossen werden. Die Gemeinde Haldenwang wird die Bauplätze wohl etwa zum halben Marktpreis verkaufen, damit sich die einheimischen jungen Familien sich einen Bauplatz leisten können. Allerdings wurde in den letzten Jahrzehnten das tatsächliche Einkommen der Bauwilligen nicht berücksichtigt, diese Praxis ist nun nicht mehr möglich. Wie sich diese neue Regelung nun auswirken wird, ist spannend. Noch ist nicht bekannt, wie viele junge Familien von dieser Einkommensgrenze betroffen sein werden.

In der Zusammenschau der obigen Aspekte zeigt sich, dass die bisherige Planung des Baugebietes den heutigen sozialen, energetischen und ökologischen Anforderungen nicht gerecht wird. Die bisherige Planung des Baugebietes ist ein „Trauerspiel“ und ist nicht auf der Höhe der Zeit. Dies gilt sowohl für die Mehrheit im Gemeinderat als auch für die jungen Familien, also die Bauwilligen, die keinerlei Interesse an einem zukunftsfähigen Baugebiet zeigen.

Die verschiedenen Vorschläge einer kritischen Minderheit einschließlich der grünen Gemeinderäte stießen bisher auf taube Ohren.

 

Manfred Gabler

 

 

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