Queer im Allgäu – Gespräch zur bunten Landespolitik in Kempten

25.11.22 –

Sexuelle Vielfalt, Gleichstellung und Toleranz. Dies sind Themen, die die Grünen ausdrücklich als ihre „DNA“ betrachten. So war die Partei nicht nur revolutionär, als sie in den 80ern als erste die Frauenquote einführte. Sondern es fällt auch in die Zeit ihrer ersten Regierungsbeteiligung: die beginnende rechtliche Absicherung schwul/lesbischer Paare. Das Lebenspartnerschaftsgesetz wurde damals von der Opposition heftig kritisiert, doch war damit eine Entwicklung begonnen, die 2017 ihren Abschluss mit der „Ehe für alle“ fand und die heute von allen relevanten politischen Richtungen befürwortet wird.

Heute spricht man von „Queerpolitik“, denn dieser Begriff hat den Vorteil, dass er alle Angehörigen des „Regenbogens“ umfasst (Anmerkung: Der Regenbogen ist das Symbol der weltweiten Queerbewegung).

Aber, und darauf weisen die Grünen immer wieder hin, ist der politische Einsatz für queere Rechte noch lange nicht am Ende, denn nach wie vor gibt es strukturelle Ungleichheiten, Gewalttaten gezielt gegen queere Menschen und nach wie vor nicht abgebaute gesellschaftliche Vorurteile.

Auf Bundesebene gibt es hierzu mit Sven Lehmann mittlerweile einen eigenen Beauftragten. Ein nationaler Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit ist Teil des Ampel-Koalitionsvertrages. Die Lage in Bayern hingegen ist noch eine ganz andere. Besonders auf dem Land sei mangels Beratungsstrukturen die Situation oft sehr schwierig, weswegen die thematisch dazu arbeitende Landesarbeitsgemeinschaft der Grünen zusammen mit dem Kreisvorstand der Grünen Kempten zu einer Besprechung mit Organisationen der Szene geladen hat. „Insbesondere in Bayern sind wir hier Schlusslicht, da die Staatsregierung sich nach wie vor einem von uns geforderten landesweiten Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt verweigert, und damit als einziges Bundesland koordinierte Aufklärungs- und Sicherheitsmaßnahmen als nicht notwendig erachtet“, so Constantin Jahn, Landtagskandidat der Grünen in einem der schwäbischen Stimmkreise und Sprecher der queeren Landesarbeitsgruppe. „Konferenzen in verschiedenen Bezirken zu ermöglichen,  ist ein wichtiges Signal für die queeren Menschen vor Ort, und für die Partei eine Chance, das Ohr nochmal besonders auf den Bedarf vor Ort zu legen“, so Jahn dazu, warum die Sitzung diesmal weit von München entfernt stattfindet.

Welche Bedeutung die Partei dem Thema zumisst, zeigt sich auch dadurch, dass Jahn nicht der einzige anwesende Kandidat ist. So sind unter den Teilnehmer*innen auch der Heimenkirchener Bürgermeister Markus Reichert, der für die Grünen im Stimmkreis Kempten für den Landtag antritt, und Isabell Niedermeier, die Bezirkstagskandidatin vor Ort. So waren Vertreter*innen der Jugendgruppe „Bonito“ eingeladen, eine der wenigen ehrenamtlich getragenen Anlaufstellen dieser Art im gesamten Allgäu. Die an den Kreisjugendring angeschlossene Beratungsstelle wendet sich an die Altersgruppe von 14 bis 27 und bekommt sogar Anfragen weit über das Allgäu hinaus. In der ersten Phase der Pandemie musste die Gruppe, wie viele andere, blitzschnell und elektronisch improvisieren – es gab digitale Spieleabende, was aber trotzdem für Jugendliche schwierig war, die sich nicht diskret in ein queeres Angebot einwählen konnten oder schlicht die technische Ausrüstung dazu nicht hatten.  Oftmals, so betonen die engagierten Jugendlichen, würden organisatorische und verwaltungsrechtliche Fragen die Vorbereitung von Veranstaltungen sehr erschweren. Hier könnte die Politik vor Ort konkret mehr unterstützen, was die anwesenden Politiker*innen durchaus als Aufgabe mitnehmen wollen. Auch das Angebot an psychischer Gesundheitsversorgung für queere Jugendliche sei im Allgäu unbefriedigend.

Von der Arbeit des Vereins zeigte sich Isabell Niedermeier besonders beeindruckt. „Der Verein leistet wertvolle Arbeit für alle Jugendlichen im Raum Kempten, egal ob queer oder nicht. Es ist wichtig, dass wir alle eine offene Haltung fördern. Sicherlich könnte Bonito für Vereine und Schulen – auf Ebene der Lehrkräfte und Schüler und Schülerinnen – als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und beratend zur Seite stehen. Gerne würde ich Bonito hierbei unterstützen und Kontakte herstellen.“

Ein weiterer Gast war Polizist Johannes Träumer von VelsPolSüd, einem von der Polizeibehörde unabhängigen Mitarbeiter*innennetzwerk, das sich als erste Anlaufstelle für Mitarbeitende versteht. Es steht in Kontakt mit dem Innenministerium, insbesondere wenn es um rechtliche Fragen geht. Zusätzlich will das Netzwerk dazu beitragen, die Berührungsängste der Community mit der Polizei abzubauen. Ein wichtiges Ziel planen sie derzeit: So soll in die bestehende Struktur der Polizei, z. B. bei den Beratungsstellen für Kriminalitätsopfer, der Themenkomplex Queer mit aufgenommen werden. Dies halten auch die Grünen für wichtig, die ohnehin schon lange feste Ansprechpersonen für die Thematik bei der Polizei fordern.

„Der Vortrag über die Sicherheit von LSBTIQ+, Queerfeindlichkeit und den Schutz von CSDs war für mich sehr eindrücklich. Übergriffe und Gewalttaten auf queere Menschen sind leider keine Seltenheit. Die Polizei in Kempten ist hier gut aufgestellt. Nicht weniger interessant war für mich der Austausch von Bonito Allgäu e.V. Egal, ob schwul, lesbisch, bi, trans, … bei dieser Institution sind junge Menschen aus dem Allgäu herzlich willkommen, um sich beraten zu lassen, Konflikte zu lösen oder einfach eine gute Zeit unter Gleichgesinnten zu haben“, lautet das Resümee von Markus Reichart.

Am Ende der Veranstaltung zogen alle Anwesenden eine zufriedenstellende Bilanz: Vernetzung der aktiven Gruppen und Austausch untereinander sei absolut wichtig, um der Politik zu signalisieren, wo gehandelt werden muss. Queere Menschen in ganz Bayern würden den Wahlen im nächsten Jahr hoffnungsvoll entgegensehen, betonen die Grünen Politiker*innen abschließend noch einmal deutlich.

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