„Die Schleuser haben die Preise gesenkt – im Mittelmeer ertrinken die Menschen“

10.07.16 –

Diese Aussage machte die rund 40 Zuhörer im Haldenwanger Gasthof „Sonne“ sehr betroffen. Renate Barnsteiner, aktive Krankenschwester aus Kempten und Prof. Dr. Tilman Mischkowsky, ehemaliger Chefarzt der Chirurgie am Klinikum Kempten berichteten über ihre Einsätze auf der „Sea-Eye“ im Mittelmeer.

Mit diesem 60 Jahre alten Kutter, der für die Rettungseinsätze umgebaut wurde, sind mehrere Teams von Freiwilligen seit September 2015 in einem Gebiet zwischen Malta, Tunesien, Libyen und Sizilien unterwegs, um Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu bewahren. Bis Juli 2016 haben sie bereits 2.652 Menschen gerettet.

Auf Einladung des Ortsverbandes der Grünen Haldenwang zeigten die beiden Helfer Bilder von ihrem Boot, dem Alltag an Bord und den Flüchtlingsbooten, die sie im Mittelmeer suchen und stellten sich den Fragen der Zuhörer.

„Das Bild des 3-jährigen Kindes, das ertrunken am Strand von Bodrum liegt, hat mich nicht mehr losgelassen,“ erzählt Renate Barnsteiner. Als sie davon erfuhr, dass auf private Initiative der Unternehmerfamilie Buschheuer aus Regensburg ein Schiff losfahren sollte, um Flüchtlingsbooten in Seenot zu helfen, war für sie klar, dass sie da ihre Fähigkeiten zur Verfügung stellen wollte.

„Jeder soll mit dem helfen, was er zur Verfügung hat – die einen mit Geld, diejenigen, die seetüchtig sind, können in den Teams mithelfen,“ erläutert Tilman Mischkowsky auf die Frage einer jungen Frau. Mischkowsky, selbst erfahrener Segler, erläutert, dass das Leben an Bord der Sea-Eye nichts mit Romantik zu tun hat,  wie auch die Bilder vom Bord-Alltag zeigen: sehr beengte Räume, kaum Komfort, dafür häufig raue See, die manches Crew-Mitglied durch Seekrankheit an den Rand des Erträglichen führt.

Zu den politischen Vorgängen in den Herkunftsländern wollen sich die beiden nicht äußern, denn das sei nicht ihr Metier. Sie helfen konkret, indem sie Flüchtlingsboote suchen, dort einen Notruf absetzen und so große Schiffe herbeirufen, die dann die Aufnahme der Flüchtlinge bewältigen können. „Unser Boot ist viel zu klein, für die jeweils ca. 100 Flüchtlinge in den kleinen Schlauchbooten, wir müssen Hilfe holen,“ berichtet Tilman Mischkowsky. Sie beobachten jedoch, dass die Menschen von den Schleusern zunehmend in Boote gesetzt werden, die keinesfalls für die geplante Fahrt über das Mittelmeer geeignet sind. Die werden Menschen ohne Schuhe in die Boote gepfercht und extrem eingeschüchtert, nichts über die Hintergründe der Flucht zu erzählen. Statt Treibstoff befindet sich manchmal nur Wasser in den Benzinkanistern.

„Wir gehen davon aus, dass wir noch mindestens weitere zwei Jahre gebraucht werden. Die Menschen müssen überzeugt werden, dass es besser ist zu bleiben, als sich auf das Meer hinaus zu wagen.“ Die Freiwilligen kaufen nun ein zweites, schnelleres Boot, um noch effektiver helfen zu können. Daher sind alle Hilfen von außen willkommen: Geld- und Sachspenden oder eben auch persönlicher Einsatz, um die Helfer-Teams bei ihren Einsätzen zu unterstützen. Hier verweisen sie auf ihre Homepage, die viele weitere Informationen bietet: www.sea-eye.org.

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